Traum vom ÖtillÖ

Das grosse Ö, das ist Ötillö – DER SwimRun. Der erste, die Mutter aller SwimRun Rennen. Und die Weltmeisterschaft der SwimRunner. In Fakten: 65km* laufen und 10km schwimmen im Schärengarten südlich von Stockholm (*neu vermessen 2022: 60km plus 10km). Start ist auf der Insel Sandham, Ziel auf der Insel Utö. Von Insel zu Insel – auf schwedisch „ö till ö“. Jedes Jahr am ersten Montag im September trifft sich die SwimRun Welt dort – oder sieht zumindest hin. Das Starterfeld ist sehr begrenzt, 120 2er Teams dürfen teilnehmen. Die Qualifikation ist hart.

Damit sind wir bei mir…. Seit Jahren brenne ich für diesen Sport. Multisport, draussen in der Natur, sehr unmittelbar in der Natur, ohne das beim Triathlon eher ungeliebte Fahrrad. Ich liebe SwimRun. Das heisst nun leider nicht, dass ich das auch sehr gut kann. Ich bin leidlich ausdauernd, aber nicht besonders schnell. In den bisherigen Qualifikationsrennen kämpfte ich eher gegen die CutOff-Zeiten als um einen Podiumsplatz. Warum will ich dann zum härtesten? Warum denke ich, dass ich bei der Weltmeisterschaft richtig aufgehoben bin? Bin ich nicht. Was ich will, ist diese einzigartige Athmosphäre erleben, inmitten all dieser fantastischen Sportler. Wir leben SwimRun – nicht nur selbst als Sportler, sondern auch als Veranstalter von Rennen und Camps und als Händler im bisher einzigen SwimRun-Spezialisten-Laden. Ich MUSS einmal zum Ötillö.

Qualifikation für eine Weltmeisterschaft ist hart

Um dort starten zu dürfen, muss man sich entweder qualifizieren, im Director‘s Choice gewählt werden, in der Lotterie Glück haben oder einen der vier Sponsorenplätze bekommen. Für‘s erste bin ich nicht gut genug und damit falle ich aus der vierten Möglichkeit eigentlich auch raus. Also habe ich mich bei den anderen beiden Varianten beworben bzw Lose gekauft. Schon das mit den Losen ist nicht so einfach: man muss als Team ein Qualifikationsrennen erfolgreich beendet haben, dann darf man pro Team ein (!) Los kaufen. Gut, Finish Utö mit Julian, Finish Engadin mit Andreas: das gibt zwei Lose.

Director‘s Choice: da bewerben sich Triathlon Granaten, Sieger des UTMB (die wohl auch noch schwimmen können) oder SwimRunner der ersten Minute. Und ich? Man kann es sich denken, hat nicht geklappt.

Lotterie: ???

Ö – Sch** – ich darf zur Weltmeisterschaft ….

Donnerstag, 26. Januar … abends bei unserem Griechen. Bestellt ist und ich will eigentlich nur schnell auf meinem Smartphone den Flug für Lanzarote morgen noch mal checken. Der Messenger blinkt – ein „jaaaaa“ von André (Hook, seines Zeichens mehrfacher Finisher beim Ötillö, der SwimRun Weltmeisterschaft, und einer der besten deutschen SwimRunner). Was meint er? Oh Shit, stimmt – die Lotterie für Ötillö läuft. Wollte ich doch live ansehen. Ob eines meiner beiden Lose gezogen wird. Komplett verpasst.

Lose können Träume erfüllen

Mit etwas erhöhtem Pulsschlag rufe ich die Teilnehmerliste auf. Noch nichts drauf. Videoaufzeichung kann ich nicht abrufen. Also Andrè per Messenger gelöchert: wie? Tatsächlich? Mit wem? Kann das sein? „Ja. Tatsächlich. Wohl mit Julian. Ja. Damit macht man keine Scherze.“ Pulsschlag mittlerweile ziemlich hoch. Und dann ist die Liste online. Und ich stehe drauf, mit Julian. Angst, Freude, Unglauben, wieder Angst, wieder Freude und „was habe ich da nur verloren? Was habe ich mir nur gedacht?“

Julian ist nicht zu erreichen. Und Andreas? Leider – oder nicht leider – war es nicht unser Los, dasgezogen wurde. Darf ich mich jetzt so richtig freuen? Wie geht es ihm damit, dass ich dieses Abenteuer ohne ihn angehe?

Die Videoaufzeichnung sehe ich mir dann auch endlich noch an: das zweite Los in der Mixed-Kategorie. Jetzt hab ich‘s gehört und gesehen: Barbara geht zum Ötillö, zur SwimRun Weltmeisterschaft. Wie geil ist das denn ?? Ich brauche einen Trainingsplan. Ich muss trainieren. Am besten sofort. Stockdunkle Nacht, -12°. Donau angefroren. Also doch erst betrinken ….

barbara und das grosse Ö - Foto: SwimRun Germany

Langer Weg zur Weltmeisterschaftsteilnahme

SwimRun Camp Lanzarote

16. Februar

Zwei Wochen Trainingscamp und SwimRun Camp Lanzarote…. Direkt am Tag nach der Auslosung ging es im Flieger auf unsere geliebte Kanareninsel. Eine Woche Urlaub und eine Woche SwimRun Camp, das wir dort organisiert haben. Perfektes Timing. Mit Paul von Swim Lanzarote hatten wir einen fantastischen Schwimmtrainer. Drills im Pool, Technik im Offenwasser und Umgang mit Wellen und Strömung. Und von beidem gab‘s genug. Ebenfalls perfekt – eigentlich.

SwimRun Camp Lanzarote - Schwimmtechnik 1  SwimRun Camp Lanzarote - Schwimmtechnik 1

Die Videoanalyse im Pool vermittelt mir das Gefühl, nicht schwimmen zu können. Die Umsetzung der Techniktipps verkopft mich total. Nicht oversliden, Arm anstellen, Wasser greifen, Hand abklappen, höhere Zugfrequenz in unruhigerem Wasser. Alle anderen aus der Gruppe des SwimRun Camp Lanzarote profitieren davon und werden schneller und schneller. Nur ich werde bei den Ausflügen in den Atlantik nach hinten durchgereicht. Die Ausrede, Fotos machen zu müssen, funktioniert für die anderen ganz gut, nur ich weiss: das wird noch ein langer, langer, langer Weg. Vom laufen wollen wir hier mal noch gar nicht reden. Hvar Anfang April wird die erste harte Probe….

Michael Lemmel‘s Kommentar zu meinem Post auf Facebook „Train hard, want to see you at the finish line“ erhöht den Druck nur unwesentlich…

Mentalcoaching ?

12. März

Helle und Sean von  montem.training haben zugesagt, uns über den Sommer zu coachen. Wir kennen die beiden seit fast zwei Jahren – Ausdauersportler, Personaltrainer und selber SwimRunner aus Malmö. Der netten Skype-Konferenz folgten Schwimmpläne und jede Menge Fragebögen zu Zielen, Ernährung und Motivation. Sean‘s Schwimmpläne sind wie seine Paddles „huge“ …. Helle‘s Fragen zum Mentalcoaching viele und tiefgehend.

Mental abgestürzt

Dienstag hatte ich frei und habe mir sowohl die Bearbeitung der „diet“ als auch der „goals“ vorgenommen. Ausserdem schwimmen und laufen. …. ja …. das ging nach hinten los. Und zwar volle Kanne. Das Formulieren der Ziele, die ich dieses Jahr habe, hat mich total aus der Bahn geworfen. Wie soll ich das alles nur schaffen? Bisher habe ich immer vor mich hin gearbeitet und das meiste irgendwann erledigt bekommen. Aber jetzt, auf einmal – da war er, der Berg an Vorhaben und Plänen. ÖtillÖ im September. SwimRun Hvar in drei Wochen. Die Organisation zweier SwimRun Rennen im Verlauf des Jahres. Die organisatorische Vorbereitung des dritten Rennens für 2018. Der SwimRun Revierguide. Dazu der Laden, laufSinn voran bringen, Laufgruppen betreuen. Und dann noch die Arbeit als Anästhesistin (für all die Vorhaben sollte ich ja auch ein klein wenig Geld verdienen). Der Berg wurde mit jeder Formulierung grösser und meine Stimmung tiefer. Im Keller des depressiven Selbstmitleides angekommen, hab‘ ich den Rest der Vormittags am Laptop rumgedaddelt und gar nichts mehr auf die Reihe bekommen. Toll. Am Nachmittag war ich dann wenigstens noch schwimmen. Laufen – nein. Der Tag war dann plötzlich rum. Ganz toll.

über Mentalcoaching nachdenken

Fazit: ich habe ein heftiges Jahr vor mir. Das wird aber nicht einfacher, wenn ich mir das ständig bewusst mache und mich selber deswegen bemitleide. Also raus, machen, tun. Und im Laufe des Jahres mal über einen Mentalcoaching nachdenken …. oder schon bald.

Hier der Link zu Sean und Helle Montem : http://montem.training/

Ö …. ist ein Ultratrail und ein bisschen mehr: Trail du Petit Ballon

21. März

Am Sonntag fiel der Startschuss ins Lauftraining. Anders kann ich unsere Teilnahme am Trail du Petit Ballon im elsässischen Rouffach eher nicht nennen. Aus den geplanten längeren Laufeinheiten wurde aus verschiedenen Gründen mal wieder nichts, seit Oktober 2016 in Kappadokien waren wir gerade zweimal etwa eine Halbmarathondistanz laufen. Die wöchentlichen Stirnlampenläufe um die 10 Kilometer zählen nicht wirklich. Oder doch? Und dann ein Start bei einem Ultratrail über 52km und 2300 Höhenmeter? Der übliche Barbara-Andreas-Wahn/laufSinn.

Trail du Petit Ballon - kurz nach dem Start    Trail du Petit Ballon - Trailtraum   Trail du Petit Ballon - bergauf und bergauf   Trail du Petit Ballon - kurz vor dem Gipfel

Start zum 11. Trail du Petit Ballon

Um uns in Rouffach etwa 1000 weitere Läufer, alle oder sicher fast alle besser trainiert als wir. Ja, wenn wir einen Teil der Strecke schwimmen könnten – da stehen wir gerade doch etwas besser im Training. Unspektakulär – zumindest im hinteren Teil des Starterfeldes, wo wir sind – und irgendwie recht unvermittelt geht es los zur mittlerweile elften Edition des Trail du Petit Ballon . Kurz hinter Rouffach dann schon hügelig, bergig durch die Weinberge. Wir sind ganz hinten, einer der Läufer trägt einen Besen im Rucksack. Das macht er sicher nicht von ungefähr. Es folgen tolle Trails, einige davon auch bergab – und das können wir wohl immer noch etwas besser als andere. Der Typ mit dem Besen fällt zurück. Bergauf, steil bergauf, bergab, steil bergab und dann noch mehr bergauf. Nach etwas mehr als fünf Stunden stehen wir im windigen Nebel auf dem Gipfel des Petit Ballon. Etwa 30km geschafft. Der ausstehende Halbmarathon bis zum Ziel geht vor allem bergab, aber leider nicht mehr so rund. Mal läuft‘s bei mir, mal bei Andreas, aber wir bleiben doch eher als Team zusammen. Die letzten Kilometer durch die Weinberge sind nochmal sehr steil, wir mässigen uns. Warum um zwei, drei Plätze kämpfen? Muskulatur noch mehr ausschiessen, Verletzung riskieren? Nein, das wäre falscher Ehrgeiz. So kommen wir nach 7 Stunden 50 Minuten als 815 und 816 von knapp 1000 Startern ins Ziel. Schnell Durchschnittsgeschwindigkeit hochrechnen, etwas Bonus dazu wegen der Höhenmeter – gut, SwimRun Hvar sollte läuferisch drin sein, wenn die Trails nicht zu ruppig werden. ÖtillÖ ? – tja, das sind ja nur noch mal 13km mehr ….

Der Weg zum Ö – SwimRun Testwochenende

27. März

Über‘s Wochenende war ich in Marseille: internationales Testtreffen von World of SwimRun, SwimRun France und SwimRun Germany. Wir haben alle möglichen Ausrüstungsgegenstände getestet und dabei eine wirklich gute (wenn auch etwas anstrengende) Zeit gehabt. Die Gegend östlich von Marseille – die Calanques – sind SwimRun Paradise!

Tipps von Insidern

Dabei unter anderem Fix aka Francois-Xavier Li, Jean-Marie Gueye aka Akuna Matata und Nic aka Niklas Karlsson, zwei davon nicht nur einmal Finisher beim grossen Ö. Die Tipps, Aufmunterungen und Vorwarnungen wechselten sich quasi minütlich ab, sobald die beiden erfahren haben, dass ich dieses Jahr starte. Lustige Erzählungen, Schauergeschichten und Erfahrungen – alles dabei.

Ausflug in die Calanques

SwimRun Croatia und SwimRun Germany in den CalanquesSwimRun in den Calanques - Swim Jump Run         SwimRun in den Calanques - Swim Climb Run    SwimRun in den Calanques - Trails

Als krönenden Abschluss des Wochenendes gab es noch einen sensationell tollen Ausflug in die Calanques (=Felsbuchten) um Marseille. Mit Klippensprünge, Höhlenschwimmen, Klettereinlagen und jeder Menge klares Wasser. Wirklich SwimRun Paradise !!! Und irgendwann die Äusserung: „du schwimmst gut und laufen kannst du auch“. Ein bisschen stolz war ich da dann schon.

Am Freitag geht‘s nach Hvar, zum ersten SwimRun der Ötillö World Series 2017. SwimRun Jetset: erst Frankreich, dann Kroatien. Das wird ein hartes, langes, schwimmlastiges Rennen….. aber !! Ich bin doch irgendwie guter Dinge. Wenn da die lange Schwimmstrecke von fast 3k nicht wäre.

Mai ist SwimRun Monat

SwimRun den ganzen Monat lang, fast. Trotzdem lässt meine Motivation zu wünschen übrig.

16. Mai

Die letzten Wochen standen voll im Zeichen des SwimRun Hof. Unser zweites Rennen und diesmal organisieren wir in meiner alten Heimat. Rund um und im Untreusee, ein Rundenrennen. Wintereinbruch zwei Wochen vorher mit Schnee und Minustemperaturen. Absagen einiger Teams wegen Krankheit und Verletzungen, stagnierende Anmeldezahlen aufgrund der kalten Wassertemperaturen. 10.4° – wer soll da auf die Idee kommen, SwimRun auszuprobieren? Mangelnde Motivation? Wir entschliessen uns, das Ganze wie geplant durchzuziehen. Samstags der SuperSprint mit einer Runde, am Sonntag SwimRun Hof 21.2 mit drei Runden. Was lange drum herum schreiben? Es war ein geniales Wochenende: 13.8° Wassertemperatur, SwimRun-Grinsen in fast allen Gesichtern, begeisterte Zuschauer, glückliche Athleten und sehr zufriedene Organisatoren (mit Ausnahme der Meldezahlen – über den Geldbeutel der Organisatoren reden wir mal lieber nicht …).

SwimRun 2017 SwimRun 2017 SwimRun 2017 SwimRun 2017

Trotzdem kaum Motivation

Mein eigenes Training blieb leider ziemlich auf der Strecke in diesen Wochen der Vorbereitung. Dazu noch ein Motivationstief. Birgit, meine Partnerin für Utö, hat sich beim Skifahren so verletzt, dass eine Teilnahme für sie nicht in Frage kommt. Schweren Herzens verzichte ich auf die Suche nach einem Ersatzpartner, da genau an diesem Wochenende zwei Events stattfinden, bei denen es für unseren laufSinn schon fast verpflichtend ist, vor Ort zu sein. Das ist Vernunft und Verantwortung für unseren Laden. Und da der gesamte Mai mit SwimRun Revierguide Burgthann, SwimRun Hof, SwimRun Revierguide Hamburg, Trailcamp Lichtenstein und dem Ulmer Einstein Triathlon völlig überfüllt ist, auch die richtige Entscheidung. Nur der Motivation für mein Training tut‘s nicht gut. Ich entschliesse mich, den Mai abzuhaken, mich nicht unter Druck zu setzen und nur das für mich selber zu trainieren, was wirklich locker von der Hand geht. Und das ist nicht viel.

Am Wochenende komme ich immerhin dreimal dazu, die Runde des Rennens zu absolvieren. Einmal zur Probe mit Andreas, einmal ambitionierter mit Julian und einmal mit vollem Genuss in aller Frühe am Montagmorgen mit Julia. Das hat sehr gut getan. Den restlichen Mai werde ich gut managen, mich weiterhin nicht unter Druck setzen und einfach Spaß an meinem Sport haben.

Das Ö rückt näher

9. August

… jetzt sind es keine vier Wochen mehr. Was am Anfang noch weit weg erschien, ist nun greifbar nahe. Die Flüge sind gebucht, die Unterkunft auf Utö auch. Andreas wird uns begleiten und am Samstag des grossen Ö-Wochenendes am „final 15“ teilnehmen, dem Sprint zur World Championship. Und am Montag sind wir dann dran. Kommen jetzt die Selbstzweifel?

Bin ich soweit?

Fühle ich mich dem gewachsen ? Ja und nein.

Ja, wir haben trainiert – Julian noch viel mehr als ich. Das Rennen im Engadin lief überraschend gut, für uns alle erfolgreich. Und es fiel uns deutlich leichter als die Jahre davor, innerhalb der CutOff Zeiten zu bleiben. Vor allem wegen des grösseren Schwimmanteils im ersten Teil des Rennens.

Ja, wir können gut im Team. Ich kenne Andreas über die Jahre natürlich besser und weiss ihn richtig gut einzuschätzen, aber mit Julian hab ich jetzt doch schon ein paar auch lange Sachen gemacht. Wir verstehen uns, passt.

Ja, wir sind gut im schwimmen. Der Ausflug zum Lindauer Bodenseeschwimmen mit 2,3k, doch einigen Wellen und Neoverbot war gut, unsere Zeiten um 43 Minuten absolut zufriedenstellend.

Ja, laufen ist auch nicht so schlecht. Die Einzeletappe beim Deutschlandlauf, 58 Kilometer mit etwa 1000 Höhenmetern und einer Bullenhitze, haben wir auch gemeinsam bestritten – und gelitten. War das heiß und weit und breit kein Schatten auf der Albhochfläche!

Ja, wir funktionieren als Team in beiden Disziplinen. Letztes Wochenende beim SwimRun Ausflug über viereinhalb Stunden an der Donau entlang bis zum Elchinger Schützensee und zurück, wieder heiß, zeigte sich: unsere Pace als Team passt gut.

Ziel der Etappe 15 in Dornstadt, Deutschlandlauf 2017

Etappe 15 Deutschlandlauf 2017

SwimRun Germany Team und Team 2 bei der Lindauer Seequerung

bei der Lindauer Seequerung

Lindauer Seequerung 2017

Lindauer Seequerung 2017

Selbstzweifel – zu wenig Training?

Ja, Nein, vielleicht –  ich hab‘ zu wenig trainiert. Ich hatte mir viel mehr vorgenommen. Mehr Umfänge, mehr intensive Einheiten, mehr Höhenmeter. Es gab immer wieder kleine Wehwehchen zwischen drin, Schnupfen, Aussenband, bisschen Schulter. Sonst würde ich einfach weiter machen, jetzt der Gedanke „ist das was ernstes? Wird das was?“.  Also Ruhe, auskurieren. Schwierig nur zu entscheiden, wo es wirklich die Vernunft zur kurzen Pause ist, wo der leise lachende Schweinehund. Selbstzweifel. Aber irgendwie ist es meistens doch immer subjektiv zu wenig Training oder?

Sicher ist: wir können das grosse Ö finishen. Aber es muss alles passen. Und es wird alles passen! Nein, es ist NICHT die Zeit für Selbstzweifel. Warum denn auch?

Und dann – unsere Teilnahme an der SwimRun World Championship ÖtillÖ 2017

15. Oktober

Gestern war die World Championship der Triathleten in Kona/ Hawaii. Die Schwimmbedingungen seien hart gewesen, „washing machine bumpy“ ….. sofort waren die Bilder über meine eigene Teilnahme an einer Weltmeisterschaft wieder da. DAS war „washing machine bumpy“. Die SwimRun World Championship 2017 wartete mit heftigsten Bedingungen auf.

Ich habe, wir haben die Ziellinie nicht erreicht. Das nagt auch heute noch und die „Fehleranalyse“ lief lange danach noch, Tag für Tag. Fazit: es hat eben nicht alles gepasst.

Aber von vorne.

Utö – Home of SwimRun

Es war ein grandioses Wochenende in Schweden. SwimRun World Championship 2017. Auf Utö angekommen, haben wir unsere Unterkunft bezogen, die Stuga Näsudden. Ein Traum mitten im Wald und trotzdem nahe zum Meer. Die Wälder voller Pilze und Blaubeeren. Erster Wasserkontakt gleich am Freitag nachmittag, für Michael und Andreas eine kleine Trainingseinheit, da sie zusammen am Samstag beim Final15 starten würden. Das Wasser frisch, aber nicht kalt, dafür voller Quallen. Harmlose Ohrenquallen, aber im ersten Moment zuckt man schon zurück.

Julian und ich machten uns am Samstag einen gemütlichen Tag und radelten irgendwann zum Vardshüs, um die beiden im Ziel zu begrüßen. Andreas kam mit ziemlich dicker Lippe an – im Wald hatte jemand vor ihnen einen Hornissenschwarm aufgeschreckt. Massig Quallen im Wasser, aber die eigentliche Gefahr kam aus der Luft. Gut, es ist niemandem ernsthaft etwas passiert.

ÖTILLÖ Final 15 K Training Utö1 - Foto: SwimRun Germany
ÖTILLÖ Final 15 K Utö Trainig 2 - Foto: Swimrun Germany
ÖTILLÖ Final 15 K Hornisse - Foto: SwimRun Germany

Anfahrt nach Sandhamn

Am Sonntag verliessen Julian, Michael und ich Utö Richtung Stockholm. Michael auf dem Weg zurück zum Flughafen und nach Deutschland, wir beide zum Grand Hotel. Dort würde die ÖtillÖ Fähre nach Sandhamn ablegen. Eine Horde SwimRunner am Kai. Vorfreude, Wiedersehensfreude und ein deutlicher Hauch von Anspannung und Nervosität. Die Fahrt dauerte ca zwei Stunden, draussen auf dem Wasser Wellen und immer wieder Regentropfen an den Fenstern. Der Wetterbericht für Montag alles andere als vielversprechend. Auf Sandhamn wurde jeder einzelne von uns beim Verlassen der Fähre von Michael Lemmel und Mats Skott persönlich begrüßt. Der erste Weg ging gleich zur Registration. Genaue Kontrolle der Pflichtausrüstung: GPS-Funktion der Uhr, Versicherung, Erste-Hilfe-Pack, Pfeife, SwimRun Suit. Gut organisiert und problemlos. Das gesamte Seglärhotel ist von SwimRunnern belegt, einige Teams sind sogar auf einer Nachbarinsel untergebracht. Das ist neu, deshalb konnten weitere Startplätze zur Verfügung gestellt werden. Briefing, Abendessen und ab ins Bett. Start wird um 6 Uhr morgens sein.

Ötillö SwimRun World Championship - Foto: Jakob Edholm
Ötillö SwimRun World Championship - Foto: Pierre Mangez
Ötillö SwimRun World Championship - Foto: Jakob Edholm

Start zur SwimRun World Championship 2017

Montag: es ist noch dunkel, es ist recht kalt, es ist sehr windig. 148 Teams stehen vor dem Seglärhotel und warten im leichten Regen auf den Startschuss. Später erfahre ich, dass erst zehn Minuten vor dem Rennen entschieden wurde, es überhaupt zu starten. Plan B war eine komplett ausmarkierte Alternativstrecke mit geschützteren Schwimmstrecken. Wellen und Strömung sollten für uns an diesem Tag die grosse Herausforderung werden, der Wind und der Regen an Land würden es nicht einfacher machen.

6 Uhr. Böllerschuss. In der Dämmerung rennt das Feld über die Insel etwas mehr als einen Kilometer zur ersten Schwimmstrecke. Es ist zugleich die längste. Ein Stroboskop am Ende macht das Orientieren recht einfach, trotz der aufkommenden Wellen. Ich schwimme vorne, halte mich etwas am linken Rand, um nicht in das Geheddere mit den Leinen der anderen Teams zu kommen. Wir schwimmen eine gute Pace. Gegen Ende muss ich den Kurs etwas korrigieren, ich bin etwas zu weit nach links gekommen. Die folgende Laufstrecke ist heftig. Entlang der Wasserlinie, mal im Wasser, mal knapp darüber über Steine in allen Größenordnungen, glitschig. Teils unter dem Böschungsbewuchs durch krabbeln. An Rennen ist nicht zu denken. Es folgt ein Inselhopping, wellige Schwimmabschnitte, trailiges Laufen. Irgendwie habe ich im Schwimmen heute einen Linksdrang … kann das aber meistens rasch genug korrigieren. Wir schwimmen wirklich gut. Der erste Cutoff auf Runmarö ist schon mal kein Problem. Der zweite geht mir im Kopf rum: beim gestrigen Briefing wurde der nämlich wegen der schlechten Bedingungen um 45 Minuten verkürzt.

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Pig Swim

Aus den trailigen Wanderabschnitten werden rutschige Kletterpassagen, das Wasser wird zunehmend richtig wellig. Der Cutoff auf Nämdö wird enger. Wir sind bereits fünf Stunden unterwegs und rennen über die Insel, glücklicherweise jetzt auf einem Forstweg. Tempo, nicht reden, einfach rennen. Und wir schaffen es. Etwa zwölf Minuten Luft. Essen, Energie tanken. Der nächste entscheidende Abschnitt wird uns zum berüchtigten Pig Swim bringen. Der Blick auf die Wellen ist nicht ermutigend. Ein Helfer hängt im Gestänge des Versorgungszeltes, der Wind nimmt zu. Im Wald vor uns bricht ein Baum ab. Es wird stürmisch. Und dann stehen wir auf den Felsen vor dem härtesten Schwimmabschnitt: 1400m Wellen und Strömung. Ein Stroboskop auf der gegenüberliegenden Klippe, ausserdem kann ich zwei Boote ausmachen. Mir ist kalt, nass laufen im Regen und Wind zieht Energie. Kurze Überlegung, wer vorne schwimmt. Ich werde anfangen. Klippe, Stroboskop, Boote. Und Wellen, hohe Wellen. Ich erinnere mich an meinen Linksdrall. An Booten sollte man sich nicht orientieren. In einem Wellental verliere ich das Stroboskoplicht. Aber die Klippe kann ich ausmachen. Julian übernimmt die Führung, wir kommen der Klippe näher. Wo ist die Markierungsfahne für den Ausstieg? Im Kampf mit den Wellen klettern wir auf die Felsen. Und sehen die Fahne. Etwa 600m entfernt auf einer anderen Insel. Etwa 600m gegen Wellen und Strömung. Wir sind viel zu weit nach rechts geschwommen. Warum? Wir müssen da rüber, irgendwie. Ich gehe wieder vor, kann mich aber gar nicht mehr orientieren, schwimme wieder zweimal in die falsche Richtung. Julian hat Krämpfe. Wir sind beide am Ende, kämpfen uns brustschwimmend vor, Meter um Meter. Das hat nichts mehr mit Schwimmen zu tun, es geht nur noch um den Kampf ums Ankommen, nur noch gegen die Wellen den richtigen Ausstieg erreichen. Wir schaffen es, irgendwie, irgendwann. Unser Ausstieg wird gefilmt. Erschreckend, das später zu sehen.

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Das Ende unseres Ö-Abenteuers

Ohne Hilfe kommen wir alleine nicht aus dem Wasser. Wir waren eineinhalb Stunden in den Wellen, 2.3km statt der eigentlichen 1.4km. Weiter. Mir ist hundselend kalt. Falle immer wieder hin, bin völlig ataktisch. Was ist los? Ich kämpfe mich Schritt für Schritt vorwärts, Julian hebt mich mehrmals vom Boden auf. Irgendwann registriere ich die Besenläufer hinter uns. Der Cutoff! Wie weit, wieviel Zeit noch? Ich verfalle in eine Art Laufschritt, wir erreichen die Versorgungsstation auf Morto Bunson. Zehn Minuten vor dem Cutoff. Und ich sehe Wasser, eine weitere Schwimmstrecke. Ich wache aus meiner Lethargie auf und sage „nein“. Ich kann mir nicht vorstellen, ein weiteres Schwimmen zu schaffen. Später erfahre ich, dass zwischen dem Pig Swim und diesem Cutoff 38 Minuten lagen sowie ein kurzes Schwimmen. Ich weiss es nicht mehr. Nach 8 Stunden und 27 Minuten ist das Abenteuer ÖtillÖ bei 45,09km beendet. In drei Decken gehüllt werde ich zum wartenden Fährboot gebracht.

Zurück auf Utö

Eine knappe Stunde später erreichen wir Utö. Anders als gehofft. 20 Minuten in der Sauna des Vardshüs wärmen mich wieder auf. Wir sehen die glücklichen Gesichter der 119 Finisherteams. Wir gehören nicht dazu. Ich bin froh, dass wir es überhaupt so weit geschafft, dass wir dieses Verschwimmen überstanden habe. Aber wir hätten es ganz schaffen können, wir lagen gut im Rennen. Ich habe die Orientierung verloren. Zu wenig Energie? Zu wenig Kraft im Kopf? Doch zu wenig Training? Hab ich Julian die Möglichkeit zum Finish genommen, weil ich zu schwach war? Es hat eben doch nicht alles gepasst. Wir sind draussen. Eine grosse Chance vertan. Werde ich je die Möglichkeit haben, hier wieder einen Startplatz zu bekommen?

Es geht mir noch tagelang im Kopf rum, eher wochenlang. Ich bin bis jetzt noch nicht richtig fertig damit. Aber: wir haben trotz allem einen tollen Tag gehabt, es war eine „lifetime experience“ und wir haben eine wirklich gute Leistung abgelegt.

Und hallo??? Wir sind Teilnehmer der SwimRun World Championship gewesen, wir waren beim „Grossen Ö“ dabei!