Bericht von Josi Kelz

Team forestrunners Dirk und Josi –  Ötillö WC 2023: Durchkommen ist alles!

Sonntag 14 Uhr – 16h bis zum Start

Bevor Dirk und ich uns dem großen Abenteuer Ötillö stellen, genießen wir noch wenige sehr schöne Tage in Stockholm. Am Sonntag ist es dann so weit. Am Mittag werden die 160 Teams am Stockholmer Busbahnhof abgeholt und zur Hotelanlage nach Djurönäset gefahren. Unser Bus hat kleine Lüftungsanlageprobleme, sodass nicht ganz sicher ist, ob die Teams dieses Busses einen Tod durch Sauerstoffmangel und Hitze erleiden werden 😉 Kurz vor Ziel springt die Klimaanlage glücklicherweise wieder an und wir sind gerettet.

Die Schlüssel für die Zimmer sind schnell und unkompliziert verteilt. Die Anlage hinterlässt einen sehr schönen Eindruck, schade hier nicht länger zu verweilen. Nach kurzer Zimmerinspektion geht es direkt zu Haus Nr.7, um unser Starterbeutel abzuholen. Auch das geht sehr schnell mit QR-Code vonstatten. Vor Ort sind Ark und Maurten, sowie ÖTILLÖ Merchandising.

Wir legen darauf unsere Ausrüstung zusammen und prüfen das letzte Mal, ob auch wirklich alles dabei ist.

Sonntag 17 Uhr- Racebriefing – 13h bis zum Start

Der Einleitungsfilm ist großartig und wir haben Gänsehaut. Verschiedene Gefühle kommen hoch. Um uns herum sind so viele Profis. Sind wir hier als ambitionierte Sportler richtig? Werden wir dieses harte Rennen wirklich stemmen? Gedanken wegschieben, ruhig bleiben.

Nach der Gänsehaut gibt es ein kleines informatives Programm. Drei der vier Urheber dieses Sportes kommen auf die Bühne und erzählen kurz von der Wette, die diesen großartigen Sport und diese Strecke ins Leben gerufen hat. Darauf kommen besondere Teilnehmer, sowie die Favoriten auf die Bühne. Dann das Racebriefing. Wichtige Standardregeln/-infos werden nochmal hervorgehoben, sowie kleine Streckenänderungen und Markierungen mitgeteilt. Auch die strengen Cutoffs werden hervor gehoben. „This is Ötillö – this is the world championship. When you miss the cutoffs, go home, train harder, come again“

Die Anspannung ist mittlerweile hoch. Wir sind wirklich hier. Es wird ernst.

Unmittelbar nach dem Briefing ist das Buffet eröffnet. Es ist Salate und Nudeln mit Soße.

Nachdem wir uns die Bäuche vollgeschlagen haben, zaubert Barbara mir eine Rennfrisur und eigentlich wäre nun Schlaf gut gewesen. Wenn man doch einfach einen Schalter umlegen könnte. Es ist warm, das Essen liegt schwer im Magen und die Aufregung spielt bestimmt auch eine Rolle. Nach tausendmaligen hin und her Drehen, muss ich dann irgendwann eingeschlafen sein. Dirk hat das Glück schon etwas früher.

ÖtillÖ WC 2023 - Foto: forestunners
ÖtillÖ WC 2023 - Foto: laufSinn
ÖtillÖ WC 2023 - Foto: forestunners

Montag 3 Uhr – 3h bis zum Start

Der Wecker klingelt. Gefühlt gar nicht geschlafen klettern wir aus dem Bett, kurz ins Bad und los zum Frühstück. Brötchen, Wurst, Käse, Porridge, Eier. Quälend versuche ich ein Brötchen runterzubringen. Ein weiteres bereite ich für die Fährfahrt vor, das dann doch unangetastet bleibt. Wir gehen wieder direkt aufs Zimmer und ziehen unsere Ausrüstung an. Koffer packen und los zur Fähre. Der Weg ist mit Fackeln beleuchtet, der Mond strahlt über uns. Eine mystische Atmosphäre.

Montag 4:30 Uhr – 1,5h bis zum Start

Unsere Fähre legt ab. Es gibt jetzt kein Zurück mehr. Wir wissen, dass wir noch etwas essen müssen, greifen aber lieber zum Riegel als zum trockenen Brötchen. Es ist sehr ruhig in unserem Eck. Gemeinsam mit Team OX und Team laufSinn warten wir auf die Ankunft in Sandhamn und den Start zum Ötillö 2023.

Im Hafen angekommen stecken wir alles, was wir nicht mehr brauchen in die Koffer und stellen sie an den Rand. Die Sonne kämpft sich allmählich Richtung Horizont, während wir uns im Startbereich fertig machen, etwas aufwärmen und das Klo besuchen.

Montag 5:45 Uhr – 15min bis zum Start

Wir sind jetzt alle in der Startbox und wünschen allen Teams, die man im Lauf der Zeit und Rennen kennengelernt hat, viel Erfolg und ein gutes Durchkommen. Ich kann gar nicht mehr sagen, was ich in dem Moment noch gefühlt habe. Es war keine Aufregung mehr, keine Angst. Nur noch das Wissen, dass das Ziel weit entfernt ist, und heute unsere einzige Chance sein wird, dieses große Rennen, die ÖtillÖ WC, zu bestreiten. Diese eine Chance will ich, wollen wir, unbedingt nutzen.

ÖtillÖ WC 2023 - Foto: laufSinn
2023-09-04 ÖtillÖ WC - Foto: ÖtillÖ SwimRun AG

6:00Uhr Startschuss

PENG….

Der Start ist neutralisiert, vorneweg fährt ein Quad, erst nach 1,4km laufen, wenn es ins Wasser geht, dürfen die Profis losrasen. Dirk macht das erste Schwimmen vorne, 1,6km im unruhigen Wasser und später auch Strömung. Ein Stroboskop zeigt die Richtung an, welches schwimmend allerdings kaum sichtbar ist. Das Wasser hat ca. 17 Grad, leicht erfrischend, während der Ötillö WC zwischendrin auch mal furchtbar kalt. Unsere Stärke ist das Laufen, Schwimmen leider nicht. Während die anderen Teams an uns vorbei zischen, kämpfen wir uns tapfer durch die rauhe See. Überall sind Ohrenquallen. Ich rede mir gut zu, dass sie harmlos sind, und schlucke meine Panikattacke runter.

Um uns herum ist eine schöne Szenerie mit der gerade aufgehenden Sonne. Zwischendrin robben wir seehundeartig über einen Felsen. Gefühlt als Letztes kommen wir aus dem Wasser, klettern an Felsen heraus und wissen, dass wir schneller laufen müssen als angedacht. Auf den Felsen ist das aber kaum möglich. Es ist rutschig und technisch sehr anspruchsvoll. Das nächste Schwimmen mache ich vorne, es kommt zu einem Missverständnis, die Leine verheddert sich, wickelt sich um Dirk und ist zu kurz. Er schiebt mich immer wieder nach vorne oder schwimmt an der Seite. Ich bin viel zu hochgedreht ins Wasser, bringe keine Ruhe rein, arbeite zu schnell, bekomm kaum Luft, komme nicht vorwärts und hab das Gefühl das Bewusstsein zu verlieren.

Endlich am Ausstieg angekommen dreht sich mein Kopf beim Aufstehen. Das passiert bei mehreren weiteren Ausstiegen und wird erst später besser. Wir erreichen den ersten Cutoff mit einem Puffer von fast einer halben Stunde. Bis zum nächsten, sehr knackigem Cutoff liegt noch ein größeres Schwimmen. Nach ungefähr drei Stunden auf der Strecke fällt Dirk in ein tiefes Loch. Der Kopf macht nicht mit, denkt, wir schaffen den Cutoff eh nicht, es soll endlich vorbei sein und was für ein Scheiß eigentlich. Ich laufe einfach weiter, ziehe ihn einfach mit.

Ötillö – Hoch und Tiefs

Wir erreichen eine Laufstrecke mit sumpfigem Boden und Dirk läuft in eine Pfütze. Ich sehe ihn nur noch auf den Oberkörper fallen. Sein Bein steckt bis zum Knie fest. Er steht wieder auf und lacht. Nichts passiert. Es geht weiter, die augenscheinlichen Pfützen umlaufen wir. Irgendwann taucht eine Riesenpfütze auf, Dirk geht langsam am Rand vorbei und versinkt dennoch bis knapp zur Hüfte. Das ist eine Gaudi. Das Lachen tut uns und vor allem Dirk gut. Er hat wieder seine Freude gefunden. Es kommt das größere Schwimmen mit 950m. Ich schwimm vorne, während Dirk hinter mir mit der Kälte kämpft. Das Wasser ist sehr wellig. Es macht mir ultimativ viel Spaß darin zu schwimmen. Es ist wie in einer Waschmaschine, hin und her, rauf und runter. An Land angekommen hat das Bild noch etwas weiter geschwabbelt.

Das letzte Schwimmen vor dem zweiten Cutoff ist etwas verwirrend. Ich erinnere mich an das Briefing, dass man hier ums Eck schwimmt und einen schmalen Ausstieg hat. Dirk schwimmt bis zur Boje und in die Bucht hinein, kann den Ausstiegt aber nicht finden. Das andere Team direkt vor uns bleibt genauso verdutzt stehen. Ich rufe nach vorne, dass er einfach weiterschwimmen soll, die Zeit drängt. Wenige Meter weiter, sah man den Ausstieg dann. Kaum den Boden unter den Füßen sage ich zu Dirk, dass er jetzt Gas geben und mich ziehen muss. Es ist knapp. Dirk drückt die Turbotaste, ich versuche hinterher zu sprinten. Schnell merke ich meine Beine, wie sie tendieren zu zu machen. Wir drosseln das Tempo minimal. 4,7km Sprint zum Cutoff- wir erreichen ihn mit 10 min Puffer. Puh. Hier ist eine Versorgungsstation und Dirk gönnt sich ein Hotdog. Ich setze mich kurz auf eine Bank.

Ich muss gestehen, jetzt beim Schreiben merke ich, wie kurzweilig der Abschnitt von diesem Cutoff bis zur Insel Ornö war. Es folgen mehrere eher kürzere Läufe, über Bäume klettern, über Felsen balancieren, abseilen(!), nicht ausrutschen, klettern. Die Schwimmen waren super. Zwischendrin ist das gefürchtete Pig Swim. 1,4km mit stärkerer Strömung. Dirk schwimmt vorne und wir kommen super gut durch. Das Schwein kann uns mal 😉 Unsere Köpfe sind fokussiert, das Ziel ist klar vor Augen. Puffer für den langen Lauf rausschlagen.

Wir freuen uns über jeden Versorgungsstand. Die Orangen inhalieren wir. Wie lecker sie sind!!! Dirk liebt die Schokoaufstrichtütchen und ich wage mich vorsichtig an die Zimtschnecken. Unterwegs sind immer wieder Zuschauer mit Gartenstühlen und jubeln jeden Ötillö Teilnehmer an. Selbst nach so langer Zeit noch! Einfach klasse!

Nach kurzer Zeit kommt wieder ein größeres Schwimmen mit 950m. Und wieder ist dieses sehr wellig. Ich schwimme vorne und wir kommen gut durch. Die Ausstiege sind teilweise gar nicht so einfach, wenn man immer wieder an die Steine gespült wird oder abrutscht und nur mit den Fingerspitzen eine kleine Rille zum Festhalten sucht. Genau das macht diesen Sport aber auch aus. Anspruchsvoll und man muss sich immer wieder anpassen und Lösungen finden.

Wir freuen uns riesig, den letzten Versorgungsstand vor dem langen Lauf zu erreichen. Nochmal auftanken, vom Steg ins Wasser springen, auf der nächsten Insel rausklettern und jetzt folgen 17km. Wir haben über drei Stunden Zeit das zu schaffen. Nächster Versorgungsstand ist in 10km. Anfangs ist die Strecke trailig, später ein breiter Schotterweg, dann Straße.

Ornö

Wir starten damit, erstmal zu gehen, je einen Riegel zu essen und die Neos runterzuziehen. Nach ca. 5km fällt Dirk in ein Hungerloch. Hat aber das Gefühlt, nichts Süßes mehr runterzubekommen. Er kann nur noch gehen, es geht ihm richtig schlecht. Er freut sich auf die versprochenen Salzkartoffeln bei der Station. Es ist aber noch viel zu weit bis dorthin. Ich ermutige ihn, dennoch ein Gel, wenigstens ein halbes, zu nehmen, was er auch macht. Die Sonne brennt von oben herunter. Bald geht es ihm besser und wir können wieder rennen. 2km vor dem Ö-Stand ist ein privater riesiger Stand. Das ist einfach unglaublich!!! Ein Mann steht mit einem Wasserschlauch zur Abkühlung bereit. Die Swimrunfans sind klasse. Es wird viel aufgetischt. Ich bediene mich reichlich an den Salzchips. Ein Genuss nach ca. 10h.

2km später folgt der offizielle Stand. Es gibt Salzkartoffeln, die in diesem Moment einfach herrlich schmecken. Wir bleiben nicht lange und laufen weiter. Nach dem ganzen Felsengekletter ist es schön, auf Teer zu laufen. Mir ist ab jetzt die ganze Zeit dezent schlecht. Da wir nun mehr als genügend Puffer zum nächsten Cutoff in 7km haben, gönnen wir uns etwas Ruhe und gehen hin und wieder ein paar Meterchen, vielleicht sind es auch etwas mehr Meter 😉.

Was??? Gehen im Wettkampf?? 😉 Erster werden wir sicher nicht mehr.

2023-09-04 ÖtillÖ WC - Foto: ÖtillÖ SwimRun AG
2023-09-04 ÖtillÖ WC - Foto: ÖtillÖ SwimRun AG
2023-09-04 ÖtillÖ WC - Foto: ÖtillÖ SwimRun AG
2023-09-04 ÖtillÖ WC - Foto: ÖtillÖ SwimRun AG

Nachdem wir die 7km ab Station hinter uns gebracht haben, erreichen wir wieder das Wasser und somit den letzten Cutoff. Ab jetzt ist „nur noch“ Inselspringen angesagt. Der erste Wasserkontakt ist für mich furchtbar kalt. Bei den folgenden 6 Schwimmen sind immer starke Strömungen und die Sonne steht bereits sehr tief und blendet. Ursprünglich wollten wir abwechselnd vorne schwimmen, aber meine Brille hat den Geist aufgegeben; ich sehe alles doppelt und verschwommen, also muss Dirk seine letzten Kräfte nutzen. Jetzt ist es nochmal sehr technisch und die Ein- und Ausstiege schwierig. Es sind ultrakurze Schwimmen dabei, bei denen wir uns gar nicht anleinen.

Meine Übelkeit ist mittlerweile richtig schlimm, was zur Folge hat, dass wir die letzten 3,5km zum Ziel nicht durchrennen können. Wir sind bereits jetzt ultrahappy, das Rennen geschafft zu haben. Wir müssen nur noch den Hügel hochrennen. Dort sehen wir schon mehrere uns bekannte Gesichter, die uns zujubeln. Der Zielbogen ist in Sicht. Durchrennen und nach 13:09h haben wir es geschafft. Wir sind super happy und stolz. Wir haben diese 70km Strecke gemeistert, sind Ötillö Finisher! Dirk übermannte ein plötzlicher Bierdurst, mich ein super Colaverlangen, welches wir auch schnell stillten.

Wir sagen einfach nur WOW! Was für ein Abenteuer und sind mega dankbar, diese Chance gehabt zu haben. Das Rennen ist sehr anspruchsvoll und scheinbar waren es diesmal schwierige Wasserbedingungen. Es ist auf jeden Fall eine harte Probe für Körper und Geist.

Epilog.

Nach dem Erreichen des Ziels wartet ein großes Buffet auf die Teilnehmer. Danach sind die Teams auf der ganzen Insel Utö verteilt zum Schlafen. An Schlaf war für uns kaum zu denken. Alles ist noch ruhelos, hier und da tut was weh. Bei mir v.a. die Aufschürfungen durch den Neo. Am nächsten Morgen wird ein tolles Frühstücksbuffet aufgetischt und um 9:30 Uhr fährt die Fähre und Busse die Teilnehmer wieder nach Stockholm. Vorbei ist das Abenteuer Ötillö WC. Leicht melancholisch verabschieden wir uns von unseren Freunden und Bekannten.

ÖtillÖ WC 2023 - Foto: forestunners
Team Forestrunners Josi&Dirk - Foto: Josi Kelz

Team „forestrunners“ – Josi und Dirk. Am liebsten in der wilden Natur unterwegs. Nachdem Dirk das Laufen und Schwimmen für sich entdeckt hat, wagte er sich auch an das Abenteuer SwimRun. Seit 2019 pushen sie sich gemeinsam durch SwimRun Veranstaltungen.