Wie einst schon Hannibal – Teil 1
Hoch über den Köpfen seines Heeres, thront Hannibal auf seinem Elefanten Surus, die wärmende Morgenröte der vergangenen Tage ist dichten Regenwolken gewichen, die am Bergmassiv hängen. Dennoch ruht sein Blick starr auf dem Weg, der vor ihnen liegt.
An einem Tag, wo einem der Regen eisig den Rücken hinab rinnt, erklingen die Salpinx unbarmherziger als zuvor und sein Heer setzt sich ungehemmt in Bewegung.
Ein Heer, in Neoprenausrüstung bis an die Zähne bewaffnet mit Schwimmhilfen, Badekappen und Restubes…. WAAAAS?
Mit dem Fatbike als Führungsradler
Die Bilder entgleiten und fröstelnd vor Kälte schüttle ich die letzten Tagträume ab. Wie ein entlaufenes und gestelltes Tier stehe ich hier auf einer abgesperrten Straße in Oy-Mittelberg mit meinem Fat-Bike. Die Salpinx erweisen sich als Alphörner, deren Klang im wabernden Regendunst vergeht. Während mir mein verschwommenes Spiegelbild auf nasskaltem Asphalt deutlich macht, dass ich nicht Hannibal auf einem Elefanten bin. Schließlich führe ich keinen Feldzug, aber dennoch soll ich ein Heer von Verrückten durch das Allgäu lenken: ich bin Führungsradler beim 1ten Allgäu SwimRun Deutschland.
Wie komme ich nur zu sowas?
Zum Überlegen bleibt keine Zeit, denn schon schiebt sich das Heer von SwimRunnern in mein Blickfeld, aufgepeitscht durch Alphörner und Moderator. Und sicher spielt auch an diesem frostigen Tag die wärmende Bewegung eine nicht zu verkennende Rolle. Und so stürzen wir uns ins Abenteuer Allgäu SwimRun. Wie eisenbeschlagene Kriegsstiefel dröhnen Trailschuhe auf Asphalt. Dazu mischt sich das Grollen meiner Reifen.
Jetzt fühle ich mich doch wieder wie Hannibal.
Würden Allobrogen bereichern
Um das Feld auseinander zu ziehen, geht es ein kleines Stück bergab auf Asphalt, ehe wir auf einen Feldweg einbiegen. Schon nach wenigen Metern wird mir klar, dass wird heftig für mich. Die ersten beiden Teams legen ein teuflisches Tempo vor und haben schon jetzt eine ordentliche Lücke zum Rest des Feldes gerissen. Ein Blick zurück offenbart mir mein ganzes Unheil. Diese 4 Athleten hinter mir würden jedes olympische Schwimmteam oder Allobrogen bereichern.
Nach einigen Kurbelumdrehungen erreichen wir den Mühlbachweg. Jetzt beginnt der Allgäu SwimRun erst richtig. Das Bike über das Kuhgatter gewuchtet, schon vernehme ich den Takt meiner Verfolger. Also in den Sattel und los. Der Trail ist ansteigend und so komme ich ziemlich ins keuchen, um die Jungs hinter mir zu halten. Parallel zum Mühlbach schlängelt sich ein Trail vom feinsten, so das ich mich schon nach kurzer Zeit im Flow verliere und somit auch meine Aufgabe als Führungsradler. Einige Treppen und kurze, knackige Trails später haben mich die Teams wieder eingeholt und ich kann nicht mehr unterscheiden, ob ich von Regen durchnässt oder Schweißgebadet bin…
Als uns der Mühlbach ausspuckt, ist Andreas schon da und koordiniert den Knotenpunkt. Mir wäre nach Pause, doch die machen Druck hinter mir. Was ein Stress. Jetzt auch noch bergauf zur Kinderklinik. Ach was sag ich, das ist DIE Himmelsleiter, so steil geht es aufwärts. Mein Ziel, vor den Athleten oben anzukommen, ist gleichermaßen verrückt wie irreal. Hannibal schafft Elefanten über die Alpen, dann sollte ich nicht jammern.
Treppen !
Nun gut, ich komme oben an – zumindest auf der ersten Terrasse. Jetzt muss ich die beiden Teams vorbei lassen. Denn jetzt folgt wahrhaftig eine Treppe! Da bin ich den Teams nur im Weg. Erstaunt sehe ich, wie locker sie nach oben stürmen und ich prügel meinen Elefanten hinterher. Oben angekommen reicht es mir dann wirklich, hätte ich noch Kraft, würde ich umfallen. Mein Blickfeld ist vor Regen oder Schweiß verschwommen, dazu die Teams ausser Sichtweite. Gut, denk ich bei mir, die sind hinter der nächsten Kurve. Schnapp ich die mir. Doch sie sind hinter der Kurve nicht und auch nicht hinter der übernächsten.
Langsam reift in mir eine gewisse Besorgnis, ob die Teams richtig gelaufen sind. Doch die Spuren auf der gut markierten Strecke deuten darauf hin, dass alles passt.
Da erblicke ich die Neoprenathleten. Ich erreiche sie, als sie soeben auf einen Trampelpfad gebogen sind. Also außen an ihnen vorbei, über die Kuhweide …. Scheißidee. Noch heute finde ich Kuhexkremente in den Lagern meines Rades.
Über noch mehr Kuhweiden und Kuhgatter erreichen wir Haag. Die Feuerwehr hat in fürsorglichstem Eifer die Straßen so gesperrt, dass das ganze Dorf auf den Beinen ist und sich das Spektakel nicht entgehen lässt.
Eine Sau durch’s Dorf treiben
Gern würde ich mir mal den Dreck aus den Augen reiben, doch die Teams machen Druck. Jetzt weiß ich, woher die Redewendung „die Sau durchs Dorf treiben“ kommt, in meinem Fall den Führungsradrabauken.
Wir verlassen Haag und ab jetzt ist es bis zum ersten Schwimmen für mich entspannt. Es geht bergab oder flach dahin an der Rottach (oder heißt es dem Rottach?). Gemächlich beruhigt sich auch mein Puls und Atem.
So erreichen wir den Rottachsee, zuerst die kurze Schwimmstrecke, ehe der Rottachsee zum ersten Mal gekreuzt wird. Die Teams sind im Wasser, ich kann durchschnaufen und etwas trinken. Was sich allerdings als Irrtum entpuppt. Die Trinkflasche am Rad ist mittlerweile durch Schlamm und Dreck eine homogene Einheit mit dem Rahmen geworden. Ein Lösen der Flasche ohne Werkzeug oder gröbere Gewaltanwendung ist eher nicht möglich.
So mache ich mich auf den Weg zum 1ten Verpflegungsposten nach Petersthal. Es ist ein bemerkenswertes Schauspiel, was sich mir und den zahlreichen Zuschauern bietet. In Neopren gehüllte Gestalten, die sich aneinander gekettet ins Wasser stürzen. Die Wasserwacht, die den diesigen Rottachsee quert und über die aus dem Wasser auftauchende Arme und bunte Badekappen wacht.
Euer Trailrabauke
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