Immeln SwimRun 2015

Snapphanen – irgendwo im Nirgendwo

Ein Wochenende in Schweden – ein schneller Entschluss, etwas verrückt aber sehr sehr lohnenswert: Immeln SwimRun – organisiert von schwedischen Orientierungsläufern atobe.se

Meine Sommersaison war durch einen Aussenbandriss leidlich verkorkst. Beim Engadin SwimRun war das Aus am CutOff dadurch eigentlich schon vorprogrammiert. Voll im SwimRun-Fieber musste ein anderes Rennen her. Wir entdeckten den Snapphanen bzw Immeln SwimRun – ein neues Rennen in Südschweden, das so gerade noch in den Kalender gedrückt werden konnte. Wir – das waren Julian und ich. Andreas war für sich mit dem Ergebnis im Engadin zufrieden. Julian hingegen wie ich voll vom SwimRun-Virus infiziert. 50 Teams sind zugelassen – bekommen wir noch einen Startplatz ? Anmelden, warten. Dann die positive Rückmeldung aus Schweden ! Also weiter planen, Flug buchen. Das Abenteuer Schweden konnte beginnen. Etwa 30km Laufen und 3,5km Schwimmen – das sind die Eckdaten des Snapphanen SwimRun. Irgendwo in Südschweden rund um den See Immeln.

Training mit Hindernissen

Mein Aussenband war verheilt, also ab ins Training. Dachte ich, als mich dann noch die Sommergrippe erwischte. Was für eine Saison …. Julian ist voll dabei, schwimmt und rennt und ich huste, schnupfe und fiebere ! Zwei Wochen vor dem Rennen wieder erste, kleine Laufeinheiten. Meine Schwimmtechnik hatte über den Sommer schwer gelitten. Tolle Vorraussetzungen ! Der Druck stieg, als das Organisationsteam um Erik von Atobe.se uns auf Facebook als einziges deutsches Team postete. Nur nicht eingehen, wenigstens irgendwie finishen, Julian nicht zu sehr blockieren, dieses Rennen wie auch immer überstehen. Ich wurde reichlich nervös und angespannt.

In der Woche vorher waren wir noch im Ausserfern, etwas laufen und schwimmen im Blindsee. Naja, fühlt sich ja fast wieder normal an ….

Unser Abenteuer in Schweden

Unser Schwedenabenteuer beginnt mitten in der Nacht. Im ICE von Ulm nach Frankfurt, Abfahrt 1:16 Uhr. An Schlaf ist kaum zu denken, der Zug gerammelt voll und hell erleuchtet. Irgendwann kommen wir am Flughafen an. Check-in – warum ist das mit der Restube bei Lufthansa so kompliziert ? Gefühlte zwei Liter Kaffee später endlich im Flieger. Ich bin viel zu müde und erledigt, um mich mit meiner Flugangst abzugeben. Der Flug nach Göteborg ist kurz, schon bald sind wir über Schweden. Von oben sind Wälder über Wälder zu sehen, dazwischen Seen, Seen und noch mal Seen. SwimRun musste hier enstehen – dieser Sport ist in diesem Land so etwas von logisch !
Leihwagen abholen und ab Richtung Süden. Das Fahren (übernimmt Julian – wie schafft er es nur, wach zu bleiben ?) ist entspannt, die schwedischen Strassen für uns Deutschen eine wahre Erholung. Wir fahren durch Wälder, endlose Wälder. Warnschilder wegen Elchen – leider ist keiner zu sehen. Wir erreichen Immeln am gleichnamigen See. Postkartenidylle pur, Schweden wie aus dem Bilderbuch. Rote Häuser, grüne Wälder, blaue Seen. Unser Bed&Breakfast sieht aus wie Ikea live. Die Menschen so herzlich und freundlich.

Schweden wie aus dem Bilderbuch

Es ist nachmittag. Schlafen könnte ich sofort, aber das wäre schade. Wir machen einen Spaziergang am See entlang. Herrlicher Sonnenschein, aber ein kräftiger Wind. Wellen auf dem See – das könnte die letzte Schwimmstrecke morgen deutlich erschweren. Ansonsten : Bilderbuch-Schweden. Immeln selbst besteht aus wenigen Häusern, einer Schule und einem Granitmuseum. Am Campingplatz gibt es ein Bistro. Der Hamburger ist gut und groß, wir aber sehr sehr hungrig. Also Hähnchenspiess hinterher. Dazu ein schwedisches Bier. Das gönnen wir uns. Auf dem Heimweg treffen wir noch die Jungs von der Orga. Für ein langes Gespräch allerdings bin ich zu müde und sie zu beschäftigt. Wir fallen ins Bett. Träumen im Ikea-Land.

Immeln SwimRun – Race Day

10 Stunden Schlaf später heisst es : SwimRun-Tag ! Start ist auf 13 Uhr angesetzt, da bleibt genug Zeit, das liebevoll hergerichtete Frühstück im B&B zu geniessen. Schwedischer Kaffee hat es in sich. Bei der Startnummernabholung treffen wir die ersten anderen Teams: ein dänisches Triathlon- und Ultratrailpaar, schwedische Triathleten. Ein britisch-neuseeländisches Team, die allerdings in Schweden leben. Für die meisten ist es der erste Swimrun-Wettbewerb, aber wir werden lernen, dass Schweden offensichtlich für diesen Sport geboren sind. Wie auch anders bei diesen natürlichen Gegebenheiten ? Beim Race Briefing ist immer wieder von „technical trails“ die Rede … das mögen wir, aber ich bin mir noch nicht sicher, was die Schweden hier darunter verstehen. Bevor wir zum Start nach Breanas transportiert werden (ca 10km entfernt), dürfen wir unsere Energiespeicher noch mit Quinoasalat auffüllen. Gestärkt geht es dann in den Kleinbus. 17 Teams sind am Start, alle sehen sportlich aus, alle sind motiviert und die meisten wirken auch etwas nervös.

Am Start in Breanas zieht sich der Ablauf etwas hin. Zeit genug, um die Nervosität weiter steigen zu lassen. Zeit genug auch, miteinander zu reden, zu sehen, was sich die anderen ertüftelt haben oder mit welcher Ausrüstung sie an den Start gehen. Immer interessant. Das Wetter ist durchwachsen, der Himmel bewölkt, der See dunkel und es wird sogar ein paar Regentropfen geben.
Punkt 13 Uhr fällt der Startschuss am Seeufer in Breanas. Ab ins Wasser, der erste Abschnitt ist gleich die erste Schwimmstrecke. In dem kleinen Feld gibt’s keine Schlägerei wie bei den Triathlonstarts, trotzdem verhake ich mich beinahe mit einem anderen Team, die mit ihrer Leine auf einmal um mich herum sind. Das Wasser ist frisch, nicht kalt, aber von einer ungewohnten, fast unheimlichen rötlichen Farbe. Eisenoxide. Knappe 600m später beginnen die schwedischen Trails. Wir sind relativ weit hinten im Feld. Nicht unerwartet ob meines Trainingszustandes. Ich will hier auch nur finishen. Die Strecke ist ausgezeichnet markiert. Wichtig, denn technische Trails bedeuten in Schweden offensichtlich weglos durch’s Unterholz. Kaum laufbar – zumindest für uns nicht. Äste, Bäume, Heidelbeerbüsche, moosbewachsene Steine und wir quer durch. Ab und zu ein Weg oder sogar eine kleine Schotterstrasse – da können wir etwas Strecke machen. Wir überholen ein Team, in dem sich der eine Partner krümmt. Mountainbikeunfall vor einer Woche, irgendwas gebrochen. Er steigt bald darauf aus, sein Partner, ein gut trainierter Triathlet, macht alleine weiter.
Etwa 6km später stehen wir vor der zweiten und längsten Schwimmstrecke: windig, wellig. Hinten links schemenhaft erkennbar eine orangen Flagge. Zusammen bleiben, soweit es geht. Die Wellen sind nicht so schrecklich hoch, aber es reicht, den Partner im nächsten Wellental nicht zu sehen. Julian muss immer wieder mal innehalten und auf mich warten. Ich hoffe nur, er friert nicht zu sehr und versuche, ein stetiges Tempo zu halten. Es scheint, Julian hält sich warm, indem er Kurven schwimmt. Mal links vor mir, mal rechts vor mir. Absicht ? Ausstieg und ab ins Unterholz. Die nächste Schwimmstrecke ist flach, ruhig, aber stinkend morastig. Irgendwie keine nette Alternative.
Unterholz, Blaubeerbüsche, Heidekraut. Kurz darauf die erste Versorgungsstation und gleichzeitig der erste CutOff. Wir haben eine halbe Stunde Luft. Um uns herum immer wieder mal ein Team, ansonsten sind wir reichlich alleine in der schwedischen Pampa. Vor uns liegt die längste Laufstrecke mit insgesamt 12km.

Immeln SwimRun 2015 - Foto: SRG
Immeln SwimRun 2015 - Foto: SRG
Immeln SwimRun 2015 - Foto: SRG

Schwedisches Unterholz

Und die ziehen sich. Wald, Wiesen, sogar auf ein paar wenige Meter Asphalt. Verlaufen kaum möglich, alle paar Meter hängt ein Flatterband. Die kleinen Auf und Abs summieren sich, so ganz flach ist das hier nicht. Wir traben wieder dem See entgegen, schön, wieder Abwechslung. Am Einstieg steht Fredrik und fragt, wie es uns ergeht. Ich erkläre ihm, dass ich nun weiss, was Schweden unter „technical“ verstehen, nämlich wegloses Unterholz. Er sieht mich gross an und meint, technisch würde es doch erst jetzt…. Wir starten zum Inselhopping. Kleine und kleinste Inseln sind hier wie Murmeln im See verteilt, lose verstreut. Auf den Inseln wegloses Gelände. In Ordnung, technisch. Die Laufstrecken sind kurz, maximal bis 800m, kaum genug, um warm zu werden. Vor uns blitzt immer wieder ein anderes Team auf, gute Läufer, aber hier auf den Schwimmabschnitten können wir Boden gut machen. Auf einer der letzten Inseln treffen wir auf den alleine laufenden Triathleten. Zitternd steigt er aus, wartet auf ein Boot. Mir ist auch sch…kalt, die Lust und Motivation irgendwo verloren gegangen aber ich will bis ans Ziel ! Das kalte Wasser zieht die Körner physisch und psychisch und der Teampartner wird wichtiger denn je. Alleine wäre ich wohl schon längst ausgestiegen.
Auf einer kleinen Insel die nächste Versorgungsstation. Die Helfer harren hier schon seit Stunden aus. Um’s Eck ein paar dänische Kanuwanderer, die um ein gemtüliches Lagerfeuer sitzen. Wärme! Aber weiter, auch wenn das einfach zu verlockend knistert und lodert. „Just a short swim“, aber die folgenden 300m empfinde ich als ganz anders. Zähneklappernd erreiche ich das andere Ufer, wieder Festland, und zähneklappernd machen wir uns auf die letzte 5km-Laufstrecke. Das andere Team zieht uns wieder davon, nachdem wir sie beim Schwimmen noch überholen konnten. Wieder ab durch die Büsche im wahrsten Sinne des Wortes. Das Orgateam hat einen verschlungenen Weg entlang des Sees gelegt, ein ständiges Auf und Ab am Ufer. Das wäre sicherlich auch direkter gegangen ! Es wird langsam dämmrig, wobei es durch den bewölkten Himmel heute nie so ganz hell war. Schaffen wir das noch vor dem Zielschluss ? Wann war eigentlich Zielschluss ? Die Siegerehrung dürfte schon längst vorbei sein. Ecken und Kurven und Pfade weiter stehen wir endlich vor der letzten Schwimmstrecke. 500m und da vorne können wir am kleinen Hafen von Immeln tatsächlich die beiden grossen HEAD-Flaggen erkennen.

Im Ziel

High-Five, denn das Ding haben wir in der Tasche ! Kein Wind, keine Wellen, das letzte Schwimmen ein Genuss – fast, denn die 500m ziehen sich dann doch noch mal. Da der Hafen, die Flaggen, aussteigen und die letzten 200m laufen. Kurz vor dem Ziel ziehen wir unsere Restubes – unser Zielfeuerwerk. Finish !! Wir haben es geschafft. Diese Medaille nehme ich gerne in Empfang. 6 Stunden 14 Minuten. Die Sieger haben viereinhalb gebraucht. Und nach uns kommen doch tatsächlich auch noch Teams.

Ab unter die Dusche und dann zum Dinner. Deftiger lokaler Eintopf – der tut gut ! Es sind nur noch wenige Teams da, die meisten wohl schon wieder auf dem Heimweg, die Stimmung aber gelassen, gemütlich und sehr familiär. Lange halte ich es auch nicht aus und schwanke bald zurück zum B&B und ins Bett. Ikea-Träume, aber diesmal mit deutlich mehr Wasser.

Sonntag geht’s zurück nach Ulm, irgendwann nach Mitternacht kommen wir an. So waren wir dreimal 24h weg, drei volle Tage Schweden, SwimRun und neue Freunde. Wir kommen wieder zum Immeln SwimRun.